Crowdsourcing oder die „Amazonisierung“ der Arbeit
Sie kennen ja Amazon. Hier können Sie eigentlich alles kaufen, was zwischen Steinzeit und heute jemals erfunden wurde. Dabei ist Amazon mehr als nur ein großes, virtuelles Ladengeschäft – es sind ganz viele, virtuelle Ladengeschäfte. Kunden können sich nicht nur aussuchen, was sie kaufen, sondern auch noch von wem. Amazon ist eine Plattform, die Geschäfte vermittelt. Kann man sich so auch die Arbeitswelt der Zukunft vorstellen?
Statt kleine Büros in der Nebenstraße: Zentrale Arbeitsvermittlungen über Plattformen
Das Bild, das wir vielleicht noch von unseren Eltern im Kopf haben, die sich am Morgen mit Mantel und Tasche auf den Weg zur Arbeit gemacht haben, wird wohl zukünftig nicht mehr existieren. Die kleinen Büros, in denen Mitarbeiter sitzen und ihre Arbeitsanweisungen vom Chef aus dem Nebenbüro bekommen, wird schon jetzt immer seltener.
Mit der fortschreitenden Globalisierung werden die Arbeitsaufträge nicht mehr an eigene Mitarbeiter vergeben, sondern Freiberuflern und Selbstständigen zur Verfügung gestellt. Das Schlagwort heißt Cloudworking. Diese Plattformen sind das neue Büro der Zukunft. Hier finden sich auf einer virtuellen Ebene Selbstständige, Chefs und Angestellte zusammen, die projektweise ein Team bilden.
Crowdsourcing-Plattformen für die großen Aufträge
Wenn ein mittelständisches Unternehmen im Jetzt einen großen Auftrag von einem Kunden bekommt, fliegen in der Regel zunächst die Sektkorken. Man sitzt gemeinsam zusammen, schmiedet erste Pläne und verteilt die einzelnen Aufgaben. Diesen Prozess werden wohl zukünftig die Crowdsourcing-Plattformen übernehmen – nur eben ohne Sekt vorweg. Muss ein Großauftrag bearbeitet werden, kann er auf der Plattform in kleinere Teilaufträge zerlegt werden. Das hat den Vorteil, dass für jede Aufgabe weltweit ein Spezialist gefunden werden kann und man nicht Herrn Müller vor Ort damit erst einarbeiten muss.
Je nach Geschäftsmodell kann die Crowdsourcing-Plattform auch dazu dienen, Wettbewerbe unter den Arbeitskräften zu initiieren, um Aufträge zu vergeben. Ein Unternehmen schreibt einen Auftrag aus. Die Mitglieder der Plattform präsentieren zunächst unentgeltlich ihre Konzepte. Der Auftraggeber entscheidet sich dann für einen Anbieter, der den Auftrag bekommt. So geht Konkurrenz im 21. Jahrhundert.
Die Transparenz der Arbeitskraft
Diese Plattformen machen es auch möglich, die Arbeits- und Leistungsfähigkeit eines Menschen für alle transparent zu machen. Wo bis heute noch Arbeitszeugnisse ausgestellt werden, die durch Euphemismen Schwachstellen beschönigten und Vorzüge der Person herausstellten, existiert heute auf einigen dieser Plattformen bereits ein Punktesystem. Nach Abschluss eines Projektes bekommt der Mitwirkende Punkte. Diese Bewertung ist für jeden zukünftigen Auftraggeber einsehbar. Gab es also Komplikationen und Missstimmungen, kann dies unter Umständen Auswirkungen auf den gesamten zukünftigen Karriereweg haben. Derjenige, der eben mehr Punkte und damit eine bessere Bewertung hat, bekommt auch eher den nächsten Auftrag zugeteilt.
Und der Schutz für die Arbeitskräfte?
Kritiker sprechen dabei allerdings von einem ‚digitalen Tagelöhnertum‘. Denn es gibt in dieser Zukunftsversion, die heute schon teilweise Realität ist, keinen Schutz mehr für die Arbeitskräfte. Weder Bezahlung, noch Urlaubs- und Feierabendregelungen würden in dieser Arbeitswelt mehr existieren. Noch dazu wird es schwer sein, in diesem System die soziale Absicherung der Menschen noch aufrechtzuerhalten.
Eine Lösung kann auch hier nur die Transparenz durch Öffentlichkeit sein. Man muss den Plattformen Regelungen auferlegen, ethische, gesetzliche und finanzielle Mindeststandards einzuführen. Außerdem spielen hier die sozialen Medien eine wichtige Rolle. Wer Mitarbeiter über ein Projekt ausbeutet, wird an den Pranger gestellt.
Das Fazit: In einer amazonisierten Arbeitswelt, werden aus Menschen Punkte und aus Arbeitgebern im schlechtesten Fall ein Shitstorm in den sozialen Medien. Hat das Zukunft?
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